Eine Torte für den Dom © Diözese Eisenstadt/Gerald Gossmann |
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir feiern heute hier in unserer Domkirche – gestattet mir den Ausdruck! – eine einzigartige Geburtstagsparty. Stellen wir uns dazu eine große Torte vor und darauf viele Figuren aus Marzipan.
Da ist zum einen unser Martinsdom. Stellt ihn Euch aus Zucker groß in der Mitte der Torte vor. Er begeht heute sein „Weihefest“, den Tag, an dem wir seiner Bestimmung und seiner Bedeutung als erster Kirche unseres Landes und unserer Diözese gedenken. Mit anderen Worten: Unser Dom feiert heute Geburtstag.
Das Wesen eines Kirchenbaus versteht man wohl am besten, wenn man erlebt, was bei der Liturgie der Kirchweihe passiert: Die anwesenden Gläubigen und die Wände der Kirche werden mit Weihwasser besprengt. Der Bischof segnet den Ambo, indem er Gott bittet, sein Wort möge dieses Haus erfüllen und eindringen in Ohr und Herzen der Gläubigen. Danach wird der Altar gesalbt und die Wände der Kirche an zwölf Stellen mit Chrisamöl gesalbt, zur Erinnerung an die zwölf Apostel, auf deren Fundament unsere Kirche gegründet ist. Sie waren es, die im pfingstlichen Feuer des Heiligen Geistes die Geburt unserer Gemeinschaft darstellten, die sich seither die Kirche nannte, noch lange bevor man den Bauwerken für den christlichen Gottesdienst den selben Namen gab. Zu Pfingsten feiert daher die Kirche als Ganze ihren Geburtstag.
Liebe Schwestern und Brüder! So wollen wir heute, am Geburtstag unseres Martinsdomes und am Geburtstagsfest unserer ganzen Kirche, uns selbst kritisch prüfen, inwieweit wir dazu bereit sind, dass in unseren Kirchenbauten Gottes Wort unsere Ohren und unsere Herzen erreicht und unsere Gemeinschaft zu einer lebendigen, vom Geist bewegten Kirche macht. Wir wollen uns heute aber auch bewusst werden, dass hier in diesem Gotteshaus, so wie in allen Kirchen dieser Welt, unser eigentliches Zuhause ist. Hier, vor dem Tabernakel, wo Christus in Brotgestalt gegenwärtig ist, können wir einkehren mit Herz und Seele. Hier können wir unser Leben mit all unseren Wünschen und Sorgen, Freuden und Leiden auf den Altar Gottes legen. Hier begegnen wir dem Grund und Fundament unseres Lebens - dem, von dem wir stammen und zu dem wir zurückkehren - bereits jetzt im Leben, das wir Christen als eine Pilgerreise zu Gott auffassen, und später bei unserem Sterben, wo wir unsere Seele endgültig Gott überantworten.
So wie der Moment des Sterbens ist aber auch der Moment der Geburt eines Menschen das Überschreiten einer Schwelle. Wenn wir den Geburtstag eines Menschen feiern, dann ehren wir damit den Tag, an dem ein Mensch eingetreten ist in die menschliche Gemeinschaft um in die Sichtbarkeit der Welt. Und als Christen danken wir an Geburtstagen besonders für das Geschenk des Lebens und bitten um Gottes Begleitung auf unserem weiteren Lebensweg. Und so finden wir neben unserem Dom auf der imaginären Torte heute auch viele Menschen aus unserer Diözese. Es sind die Geburtstagsjubilare, die wir heute gemeinsam mit unserem Dom und mit der Gemeinschaft der Kirche feiern.
Da findet sich aber noch jemand auf unserer Torte. Ein kleiner Mann auf einem Baum. Zachäus, der Zöllner, von dem wir heute in der Schrift gehört haben. Der Tag, an dem er Jesus begegnet, verändert sein ganzes Leben, lässt ihn im wahrsten Sinne des Wortes neu geboren werden – er wird an jenem Tag ein neuer Mensch und feiert daher Geburtstag. Dazu erzählt uns der Evangelist Lukas, dass Zachäus, der klein war, zwei äußere Bewegungen gemacht hat, die entscheidend für sein neues inneres Leben waren und die auch uns nach 2000 Jahren zeigen, worauf es bei der Nachfolge Jesu ankommt:
Der erste Schritt: Hinaufsteigen, um besser sehen zu können. Zachäus löst sich aus der Alltagsperspektive der Straße, wo er als kleiner Mann seelisch untergeht, und wechselt hinauf in eine neue Perspektive. Er will einen neuen Blickwinkel, er will Jesus sehen, und er findet ihn auch.
Der zweite Schritt: Heruntersteigen, um mit Jesus gehen zu können. Erst indem Zachäus nicht in der Beobachtung und im sicheren Abstand von der Welt verweilt, sondern wieder vom Baum heruntersteigt, kann er sich gemeinsam mit Jesus auf den Weg machen.
Üben auch wir in unserem Leben diese beiden Schritte ein. Suchen wir Orte, die es uns erlauben, auf Jesus zu schauen und lassen wir uns auf den Weg in Gemeinschaft ein! Suchen wir die Kontemplation, aber pflegen wir auch die konkrete Aktion!
Zuletzt entdecken wir auf unserer imaginären Geburtstagstorte noch zwei ganz besondere Gestalten. Zwei Männer in weiß. Zwei Männer, die mit unserer Diözese und damit unweigerlich auch mit ihrer Kathedralkirche, dem Martinsdom, eng verbunden sind: Papst Johannes XXIII. und Papst Johannes Paul II. Zwei Päpste und zwei Heilige. Johannes XXIII. hat uns zur Diözese und dieses Gotteshaus zur Kathedralkirche erhoben, Johannes Paul II. hat uns besucht und uns das besondere Vermächtnis, als Christen furchtlose Brückenbauer zu sein, mit auf den Weg gegeben. Vor wenigen Wochen erst durften wir die Heiligsprechung beider Päpste feiern. Und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass beide nun ebenfalls ihren Geburtstag feiern: ihren Geburtstag im Kalender der Heiligen, ihren Geburtstag im Himmel.
Die Kirche nennt Menschen heilig, die wenn sie vom Licht Christ radikal durchdrungen sind. Dies geschieht oft erst nach einem schmerzhaften Prozess, weil dieses Licht einem Feuer gleicht, das Schlacke von Gold trennt. Solche Menschen halten die Welt auf Gott hin offen. Sie eröffnen uns die Transzendenz im Widerstand gegen die Banalität, jene Banalität, die Zachäus ablegte, indem er auf den Baum stieg, um Jesus zu sehen und sein Leben radikal zu ändern.
Liebe Schwestern und Brüder! Wir alle wurden geboren, Wir alle wurden getauft und der Gemeinschaft Christi eingegliedert. Der heutige "Super-Geburtstag", der unser Leben, unsere Gemeinschaft, unser Gotteshaus und unsere Berufung zur Heiligkeit miteinander verbindet, hat seinen Ursprung in der Liebe Gottes zu uns Menschen. Wir feiern diese „Geburtstagsparty“, dieses Fest mit dem Besten und Schönsten, das wir Christen kennen: mit einem feierlichen Gottesdienst und mit der Eucharistie. In ihr begegnen wir Jesus Christus, der allein der ganz Heilige ist. Als Gottessohn und Menschensohn hat er die Trennwand zwischen Gott und seiner Schöpfung niedergerissen – so wie bei seinem Tod der Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste vom Rest trennte, von oben bis unten entzwei riss. Im Mysterium seiner Menschwerdung kam er aus der unergründlichen Tiefe des göttlichen Geheimnisses in die Welt, im Mysterium seiner Auferstehung kehrte er in diesen Ursprung zurück. Und er hat dabei den Weg und die Tür für alle offen gehalten, die zu ihm gehören. Er hat sie offen gehalten für uns.
Wenn das für uns kein Grund zum Feiern ist!
Amen.