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Europabischof als Brückenbauer zwischen vielen Ufern

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Mosaik des Pantokrators im Kloster Chora
(c) Dominik Orieschnig

Eisenstädter Bischof nutzt Einladung von Bartholomaios I. zur Begegnung mit orthodoxen Christen, kirchlichen Einrichtungen und Vertretern anderer Religionen in Istanbul – Besuch historischer und heiliger Stätten des Ökumenischen Patriarchates und der ganzen Christenheit – Zsifkovics: Wiederöffnung der orthodoxen Hochschule Chalki als "Gradmesser für künftige Verbesserung der Religionsfreiheit in der Türkei".

Konstantinopel (Istanbul) – Der Bosporus als Tor zwischen Ost und West offenbart eine gesellschaftliche Vielfalt ungewohnten Ausmaßes. Bischof Ägidius Zsifkovics hat bei seinem vor kurzem zu Ende gegangenen Arbeitsbesuch beim Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel keine Gelegenheit ausgelassen, um unter kundiger Führung des Metropoliten von Austria, Erzbischof Arsenios Kardamakis, Menschen zu treffen, Gespräche zu führen und auf diese Weise Brücken zu schlagen, die scheinbar lose Vielfalten zu einem gedanklichen Ganzen verbinden können.

Das Mosaik als soziales Strukturprinzip
"Managing the Mosaic" war mit Blick darauf kein unpassendes Motto eines Neujahrsempfangs, den der Bürgermeister des prosperierenden Istanbuler Stadtteils Sariyer, Sücrü Genc, für die Istanbuler internationale Community gab, darunter – neben dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. mit Bischof Zsifkovics und Metropolit Arsenios als Begleiter – die Oberhäupter der in der Stadt vertreten Kirchen und Religionen. Denn eine bunte Vielfalt an Kulturen, Meinungen, Bildung und Religionen in einer Gesellschaft so zu vereinen, dass sich ein erbauliches Gesamtbild ergibt, ist eine hohe politische Kunst, die an jene weltberühmten Meisterwerke byzantinischer Mosaikkunst im stillgelegten Kloster vom Heiligen Erretter in Chora heranrührt, die die beiden Bischöfe aus Österreich tags darauf bestaunen konnten.

Religion und Säkularismus, Christen und Muslime, Arme und Reiche, aber auch Burgenländer und Steirer als Steinchen des Mosaiks
Der Besuch der Hagia Sophia machte einiges deutlich an der aus allergrößten geschichtlichen Brüchen erwachsenen mosaikhaften baulichen wie sozialen Gesamtkonstellation Istanbuls: Als Krönungskirche der christlichen byzantinischen Kaiser (seit 641) und Kathedrale des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel von außerordentlich hoher Bedeutung für die orthodoxe Christenheit und den meisten orthodoxen Christen noch heute ein großes Heiligtum, hat der Bau die letzten fünf Jahrhunderte als Moschee gedient, um schließlich in der säkularen Republik Türkei zum Museum umfunktioniert zu werden. Dementsprechend mosaikhaft sind auch die verschiedensten politischen Begierden und Ansprüche, die sich heute um das Bauwerk ranken.
Doch auch die christliche Ordenswelt des Westens hat dem großen Mosaik Istanbul einige Steinchen eingesetzt. Im St. Georgs-Kolleg und dem gegenüberliegenden St. Georgs-Krankenhaus in Istanbul trafen Bischof Zsifkovics, Metropolit Arsenios und Abt Paisios Jung, der dem ersten orthodoxen Kloster in Österreich vorstehen wird, auf Schwester Heliodora, Oberin der Schwesterngemeinschaft am Österreichischen St. Georgs-Krankenhaus und gebürtige Burgenländerin, sowie auf Pater Alexander Jernej CM, den Superior der Österreichischen St. Georgs-Gemeinde in Istanbul, einen gebürtigen Steirer. Hoch über den Dächern der Stadt in den Räumlichkeiten der Schwesternkommunität besprach man sich bei türkischem Kaffee und Kuchen, tauschte Anliegen und Neuigkeiten aus und bestellte Grüße in die österreichische Heimat. Bischof Zsifkovics dankte den Ordensleuten für ihren treuen Dienst am St. Georgs-Kolleg und am Krankenhaus, der gerade fern der Heimat, noch dazu in schwierigen Zeiten des Umbruchs und des Fanatismus ein besonders wertvolles christliches Zeugnis darstelle.

Bischof Ägidius Zsifkovics mit Metropolit Arsenios, Abt Paisios und Bischofssekretär Dr. Dominik Orieschnig im Kreis der Schwesterngemeinschaft am Österreichischen St. Georgs-Krankenhaus in Istanbul
© Dominik Orieschnig
Im Gespräch mit Pater Superior Alexander Jernej CM, dem Leiter der Österreichischen St. Georgs-Gemeinde
© Dominik Orieschnig
Europabischof Zsifkovics: Seminar von Chalki als "Gradmesser für Religionsfreiheit" in der Türkei
Ein Höhepunkt der Istanbul-Reise von Bischof Zsifkovics war der Besuch des Seminars auf Chalki, einer der Prinzeninseln im Marmarameer. Bis zu seiner Schließung durch den türkischen Staat im Jahre 1971 war es die wichtigste christliche Theologische Hochschule des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel. Das Seminar wurde 1971 durch ein türkisches Gesetz, welches den Betrieb von privaten Universitäten verbietet, geschlossen. Seit damals fristet das auf der Inselkuppe verträumt thronende, ringsum bis zum Meer hinab von Wäldern umgebene Gebäude ein Dornröschendasein.

Die Türkei strebt allerdings nach eigenen Angaben eine Verbesserung der rechtlichen Situation der religiösen Minderheiten im Land an. Seit der Ernennung des Metropoliten von Bursa, Pater Elpidophoros Lambrinidis, zum neuen Abt des Dreifaltigkeitsklosters auf Chalki, zeichnet sich zumindest vorsichtig eine Wiedereröffnung der Hochschule ab. Abt Elpidophoros, ein Theologieprofessor mit stechendem Blick und akzentfreiem Deutsch, pflegt äußerst gute und konstruktive Beziehungen zu den türkischen Behörden und ist zuversichtlich, dass es für Chalki einen neuen Frühling geben könnte. Die vor kurzem erfolgte Rückgabe von Land an die Stiftung des Klosters der heiligen Trinität darf jedenfalls als positives Zeichen gewertet werden. "Dass eine Kirche oder Religion ihre Priester auch ausbilden können muss, ist in einem modernen europäischen Verständnis unverhandelbarer Teil von Religionsfreiheit", so Bischof Zsifkovics im Gespräch mit Metropolit Elpidophoros – "insofern ist die Frage, wann das Seminar wieder eröffnet werden kann, ein wichtiger Gradmesser für die Religionsfreiheit im Land".


Byzanz – Konstantinopel – Istanbul
Im Jahr 660 v. Chr. unter dem Namen Byzantion gegründet, kann das heutige Istanbul auf eine 2600-jährige Geschichte zurückblicken. Fast 1600 Jahre lang diente die Stadt nacheinander dem Römischen, dem Byzantinischen und dem Osmanischen Reich als Hauptstadt. Als Sitz des ökumenischen Patriarchen und – bis 1924 – des osmanischen Kalifats war Istanbul jahrhundertelang ein bedeutendes Zentrum des orthodoxen Christentums und des sunnitischen Islams. Die Stadt zählt heute knapp 20 Millionen Einwohner. 

Hagia Sophia
Als Kuppelbasilika im 6. Jahrhundert n. Chr. errichtet, ist die Hagia Sophia das letzte große Bauwerk der Spätantike. Sie war die Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, religiöser Mittelpunkt der Orthodoxie und ist heute ein Wahrzeichen Istanbuls. Das Gebäude diente von 1453 (nach der Osmanischen Eroberung Konstantinopels) bis 1931 als Moschee, wurde dann säkularisiert und 1935 als Museum eröffnet. Mehrmals in der türkischen Geschichte ist die Rückumwandlung in eine Moschee diskutiert worden. Im Rahmen der Eröffnungsfeier einer neuen Ausstellung in der Hagia Sophia, wurde am 10. April 2015, dem Karfreitag des Orthodoxen Christenfestes, erstmals nach 85 Jahren, wieder Suren aus dem Koran von einem Imam rezitiert. An der Feierlichkeit nahmen auch ranghohe Regierungsmitglieder teil. Teile der türkischen Opposition sahen in dieser Zeremonie einen weiteren Vorstoß der Regierung, die Hagia Sophia wieder in eine Moschee zu wandeln. 

Seminar (Theologische Hochschule) von Chalki
1999 besuchte der US-Präsident Bill Clinton Chalki und forderte den türkischen Staatspräsidenten Süleyman Demirel auf, die Hochschule wieder öffnen zu lassen. Im Oktober 1998 haben Senat und Repräsentantenhaus des US-Kongresses Resolutionen verabschiedet, in denen die Wiedereröffnung von Chalki unterstützt wurde. Die Europäische Union hat in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei das Thema der Wiedereröffnung der Hochschule im Zusammenhang mit Behinderungen der freien Religionsausübung der Christen in der Türkei auf die Liste der Forderungen an den Beitrittskandidaten Republik Türkei gesetzt. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte kritisiert die Schließung des Seminars und sieht diese bis heute als Hemmnis für einen EU-Beitritt der Republik Türkei.

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