"Gelebte Ökumene": Metropolit Arsenois Kardamakis, Moderator Walter Reiss, Superintendent Manfred Koch und Generalvikar Martin Korpitsch (von links) © Berger |
Stegersbach – "Gelebte Ökumene. Schwierigkeiten und Erfolge im Burgenland" lautete der Titel einer hochkarätig besetzten Diskussionsveranstaltung am Samstag, dem 9. September 2017, im Pfarrzentrum Stegersbach, organisiert vom forum martinus der Diözese Eisenstadt. Unter der Moderation des ORF-Burgenland-Redakteurs Walter Reiss kamen der orthodoxe Metropolit von Austria, Arsenios Kardamakis, der evangelische Superintendent des Burgenlandes, Manfred Koch, und Generalvikar Martin Korpitsch von der Diözese Eisenstadt miteinander ins Gespräch. Letzterer vertrat Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics, der zeitgleich einem Arbeitsbesuch in Ungarn nachkam.
"Vom Gegeneinander zum Mit- und Füreinander"
Im Burgenland sei ein "positiver ‚Klimawandel’ in der Ökumene" deutlich spürbar: so lässt sich der allgemeine Tenor der Podiumsdiskussion rund um die Frage zusammenfassen, wie lebendig die Ökumene im Burgenland sei, wo sich Erfolge und wo sich Herausforderungen zeigen. Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics, dessen Anliegen von Generalvikar Korpitsch vertreten wurden, brachte es so auf den Punkt: "Wir sind von einem ehemaligen langen Gegeneinander und Nebeneinander zu einem Miteinander der christlichen Konfessionen gekommen, mit der Hoffnung, ein geschwisterliches Füreinander zu erreichen".
"Jahrtausendprojekt" orthodoxes Kloster
Metropolit Arsenios bewertet auch die Schwierigkeiten rund um das "Jahrtausendprojekt, das erste orthodoxe Kloster Österreichs im Burgenland zu errichten", als positiv: "Als ich Bischof Ägidius meine Ideen zur Gründung eines orthodoxen Klosters im Zuge eines freundschaftlichen Treffens mitgeteilt habe, hat er sofort positiv reagiert und gesagt: ‚Die katholische Kirche kann und soll helfen. Es ist Zeit zu zeigen, dass Christen zusammen etwas bewirken können.’ Dass der Bischof ein Grundstück in St. Andrä der orthodoxen Kirche kostenlos zur Verfügung stellte, war ein großartiges Zeichen der Ökumene und der freundschaftlichen Verbundenheit, wofür ich sehr dankbar bin."
Kloster: Abbau von Informationsdefiziten
Aber auch die vor der Volksabstimmung in St. Andrä getroffene Entscheidung, das Projekt für diesen Ort zurückzuziehen, sieht der Metropolit nicht bloß negativ: "Ich persönlich habe in St. Andrä trotz des Gegenwindes viele positive Erfahrungen gemacht. Es war wichtig, über die orthodoxe Kirche und die Bedeutung eines orthodoxen Klosters als ein Ort des Friedens, der Begegnung und des Dialogs zu informieren. Die Diskussion rund um das Kloster war eine Gelegenheit, Grundlegendes über die orthodoxe Kirche selbst zu vermitteln, Informationsdefizite und damit mögliche Hindernisse für ein wechselseitiges Verstehen und Verständnis abzubauen".
Keine "überhastigen" Standortentscheidungen
Entscheidungen über einen möglichen neuen Standort für das Klosterprojekt seien derzeit noch keine gefallen, so der Metropolit: "Mich hat sehr gefreut, dass eine Reihe von Orten Interesse bekundete, einem solchen Kloster eine Heimat zu geben. Aber es eilt nicht. Das ist ein Jahrtausendprojekt und soll nicht überhastet werden", so Metropolit Arsenios.
Voneinander lernen statt Wahrheitsmonopole
In Österreich, waren sich alle Gesprächspartner einig, habe sich das ökumenische Klima deutlich gebessert. Metropolit Arsenios: "Freilich gibt es auf allen Seiten auch ‚Ultras’, die keine Beziehung zu anderen wollen und glauben, nur die eigene Kirche habe die Wahrheit für sich gepachtet. Ich hingegen glaube und bin dabei in guter Gesellschaft, dass wir alle Suchende sind, die voneinander lernen können". Während seines Studiums in Straßburg, als er erstmals mit nicht-orthodoxen Christen in Kontakt kam, sei ihm noch die Lehre vermittelt worden, "nur die Orthodoxen können gerettet werden. Aber das war mir nicht recht: Denn im Paradies möchte ich schon gerne mit meinen vielen Freunden und Brüdern der anderen Konfessionen zusammen sein", so ein gut gelaunter Metropolit.
Das große Gemeinsame: Glaube an Jesus
Diese Gemeinsamkeit, nämlich das Bekenntnis zu Jesus Christus als Grundlage eines christlichen Lebensvollzugs, griff auch Superintendent Manfred Koch auf. "Ökumene hat dort begonnen, wo Menschen aus dem Glauben heraus sich nicht mehr bekämpfen, sondern sich als Geschwister unterstützen. Ökumene ist ein ständiges Sich-Näher-Kommen. Bei aller Verschiedenheit der Traditionen, der Lebensformen und der Glaubensformen, so ist das Verbindende doch der Glaube an Jesus als Christus".
Reformation und "revolutionäre" Begegnung
Gerade in jüngster Zeit konnte das Burgenland starke Zeichen der Ökumene setzen, ist der Superintendent überzeugt: "Das Reformationsjubiläum hat der Ökumene sicher einen neuen Schwung gegeben. Die Begegnung der Österreichischen Bischofskonferenz und der evangelischen Kirchenleitung in Eisenstadt und Rust, der gemeinsame, von Bischof Zsifkovics und mir verfasste Osterhirtenbrief waren sicherlich ökumenische Meilensteine. Aber auch die gemeinsame Pilgerreise auf den Spuren von Martin Luther und der heiligen Elisabeth wird ein starkes Ausrufezeichen sein, so wie es die regelmäßige Teilnahme von Bischof Zsifkovics beim evangelischen Gustav-Adolf-Fest bereits ist." Diese jährliche Teilnahme des Bischofs am traditionsreichen evangelischen Fest nannte der Superintendent "revolutionär".
Persönliche Begegnung als Basis
Auch Generalvikar Martin Korpitsch sprach von vielen wichtigen Impulsen, die in Richtung eines Füreinander der Konfessionen gehen würden: "Die Ökumene im Burgenland ist lebendig, weil sie von vielen persönlichen Begegnungen und Freundschaften getragen ist. So entstehen persönliche Brücken, die verbinden, worauf man aufbauen und woran man anknüpfen kann." Die Begegnung, der Dialog und das Aufspannen von Verstehens- und Verständnishorizonten für die jeweils anderen Konfessionen müssten auf allen Ebenen, in der gelebten Praxis, in den Pfarren ausgeweitet und ergriffen werden.
Spontanes bischöfliches Geburtstagsständchen
Die Freundschaft von Bischof Zsifkovics sowohl zu Superintendent Koch als auch zu Metropolit Arsenios sei beispielgebend, so Generalvikar Korpitsch: "Die wenigsten wissen, dass Bischof Zsifkovics spontan und ohne Vorankündigung Superintendent Koch im Vorjahr zu dessen 60. Geburtstag besucht und ihm ein Ständchen gesungen hat. Dass solche ungezwungenen Begegnungen möglich sind und tatsächlich gelebt werden, ist sehr wichtig." Er selbst habe sich sehr gefreut, als er während eines Spitalsaufenthaltes in Innsbruck spontan von Metropolit Arsenios besucht wurde, der sich zufällig in Tirol auf der Durchreise befand, und zwar inmitten eines sehr dichten, mit Wassersegnungen gefüllten Terminkalenders.
"Heiße Eisen" der Ökumene
Auch Herausforderungen und "heiße Eisen" kamen bei der Diskussion zur Sprache. Manfred Koch nannte etwa Unterschiede beim Amtsverständnis, beim Kirchen- und Gemeindeverständnis oder bei der Frage nach der Funktion des Papstes: "Der Papst wird als Bischof von Rom von uns anerkannt und geschätzt, aber wir sehen ihn nicht als Stellvertreter Christi auf Erden. Auch gibt es offene Fragen für das Anliegen einer gemeinsamen Kommunion sowie eine Reihe unterschiedlicher Traditionen."
Konfessionsverbindende Ehen
Ein für die Glaubenspraxis zentrales Thema betreffe konfessionsverbindende Ehen. Dazu Metropolit Arsenios: "Eine Trauung zwischen Christen unterschiedlicher Konfessionen ist möglich. Oft steht dann die Frage im Raum, wie die Kinder getauft und erzogen werden sollen. Aber auch hier stehen die Zeichen auf ein Miteinander, ebenso wie im Religionsunterricht. In Wien etwa gibt es seit zwei Jahren in ausgewählten Schulen einen kooperativen Religionsunterricht, bei dem für dieselben Klassen mit jedem Semester orthodoxer und katholischer Religionsunterricht wechseln."
Kindererziehung offen ansprechen
Generalvikar Martin Korpitsch betonte, dass die Frage der Kindererziehung bei konfessionsverbindenden Ehen nicht ausgeklammert werden dürfe: "Über diese Fragen muss man offen sprechen. Unsere Aufgabe ist, die Menschen im Glauben zu stärken. Dann lassen sich auch vermeintliche Schwierigkeiten lösen."
Säkularisierung erfordert Zusammenarbeit
Und Superintendent Manfred Koch ergänzte: "Wichtig ist, dass Kinder überhaupt christlich erzogen werden. Angesichts der massiv voranschreitenden Säkularisierung müssen wir Christen stärker zusammenarbeiten. Wenn eine Gruppe gegen die andere ausgespielt wird, bleiben alle auf der Strecke. Unterschiedliche konfessionelle Traditionen mögen ein Diskussionspunkt sein, aber wesentlich ist doch, dass sich Menschen zum Christsein und zu einem christlichen Lebensweg bekennen".
Und weil die Podiumsdiskussion in Stegersbach nicht nur über Ökumene sprechen wollte, sondern Ökumene ein Stück weit auch zu leben versuchte, folgte auf den Dialog ein Ökumenisches Gebet.