Pädagogische Hochschule Burgenland stellt mit Blick auf das nahende Martinsjahr der Diözese Eisenstadt das neue Martinsbuch "Der rote Mantel" von Heinz Janisch vor - Caritas-Direktor Küberl: Teilen ist "gesellschaftliche Überlebensfrage"
Der heilige Martin als "role model" einer nachhaltig funktionierenden, solidarischen Gesellschaft und das Urbild vom geteilten Mantel als Kompass für soziale Grundfragen im Hier und Heute: Dies stellte das Institut für religionspädagogische Bildung (IRPB) der Pädagogischen Hochschule Burgenland in dem hochrangig besetzten Symposium "die hoffnung kennt tausendundeine geschichte" in den Mittelpunkt. Soziale Hotspots wie Armut und Ausgrenzung sowie die Komplexität der karitativen Arbeit steckten den Themenhorizont mit Blick auf das nahende "Martinsjahr" ab, das die Diözese Eisenstadt mit dem Martinsfest am 11. November eröffnen wird. Seitens der Diözese nahm Generalvikar Martin Korpitsch teil.
"Das einzige, was die Armut beseitigen kann, ist miteinander zu teilen": Dieses Wort der seliggesprochenen Mutter Teresa bringe die brennende Aktualität des heiligen Martin, die Notwendigkeit von Hilfsbereitschaft, Mitgefühl und Empathie in einer von Krisen, Konflikten und Spannungen gebeutelten Welt auf den Punkt, wie der bekannte Kinderbuchautor Heinz Janisch sagte. Janisch bettet in dem neuen, auf der Tagung im burgenländischen Neutal vorgestellten Martinsbuch "Der rote Mantel" die Geschichte des heiligen Martin in den Erzählrahmen rund um den Flüchtlingsbuben Amir ein, der gemeinsam mit seinem Vater nach einer abenteuerlichen Flucht Aufnahme , Zuwendung und das Geschenk des Teilens erfährt. Illustriert wurde das Kinderbuch von Birgitta Heiskel, die in bewusster Reduktion auf das Wesentliche die Grundbotschaft des Teilens modern veranschaulicht.
Küberl: Soziales Engagement als Lackmustest
Mit der Geste des geteilten Mantels komme ein gesellschaftspolitischer Grundauftrag zum Ausdruck, wie der steirische Caritas-Direktor Franz Küberl betonte: "Teilen ist eine Überlebensfrage für unsere Gesellschaft, lokal und global". Beeindruckt habe er sich gezeigt von der klaren und unmissverständlichen Haltung der Solidarität der Kirche in Österreich mit den Flüchtlingen. "Eine solche Haltung und deutliche Worte würde ich mir auch von Bischöfen in Ländern wie Ungarn oder Rumänien wünschen". Die Wahrnehmung sozialer Aufgaben sei ein Lackmustest kirchlicher Glaubwürdigkeit. Die Flüchtlinge als Menschen mit vielfachen Kompetenzen, Talenten und Potenzialen zu sehen und ihnen die Chance für Entfaltungsräume und ein Heimischwerden zu geben, wäre eine Bereicherung für die Gesamtgesellschaft, so Küberl.
1,6 Millionen armutsgefährdet
Der Caritas-Direktor der Diözese Graz-Seckau legte den Finger vor allem in die Wunde der Armutsfrage, die auch für ein reiches Land wie Österreich virulent sei: "Im Jahr 2014 waren mehr als 1,6 Millionen Menschen in Österreich armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, das sind 19,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Wir in der Caritas spüren das: Im Jahr wenden sich rund 64.000 Menschen an die 36 Sozialberatungsstellen der Caritas Österreich".
Um Situationen der verfestigten Armut, die einer dicken Eisdecke gleiche, die von den Betroffenen oft nicht mehr aus eigener Kraft aufgebrochen werden könne, zum Schmelzen zu bringen, brauche es Andockpunkte sozialer Organisationen wie der Caritas. "Wenn man spürt, da ist jemand auf der anderen Seite des Eises, kann man wieder Mut schöpfen". Mit Blick auf die steigenden Flüchtlingszahlen warnte Küberl eindringlich davor, die Empfindung von weiterer Armut als Bedrohung politisch zu instrumentalisieren und etwa Verunsicherungen und Ängste hiesiger Armutsgefährdeten gegen die Not neu ankommender armer Flüchtlinge auszuspielen.
"Weniger TTIP, mehr Ethik"
Aufgabe der Caritas sei es nicht nur, Unrecht aufzuzeigen und Wege zu finden, es zu beheben. Sie müsse sich auch anwaltschaftlich für eine gerechte Verteilung von Gütern im Wirtschafts- und Sozialsystem einsetze: "Wenn die Politik versucht, einen Keil zwischen die Menschen zu treiben, dann lautet unser Motto: ‚Teilen statt spalten’", so Küberl. Die Politik solle weniger auf "egoistisch bessere Handelsbedingungen" wie im Freihandelsabkommen TTIP bauen als vielmehr verbindliche Standards für ein ethisch verantwortliches Wirtschaften gerade hinsichtlich einer Regulierung multinationaler Konzerne setzen und die Hilfe in armen Ländern verstärken.
Not in Tugend gewendet
"Was treibt Menschen dazu, sich für andere einzusetzen?" Dieser Frage näherte sich ORF-Korrespondent Christian Schüller am IRPB-Symposium anhand konkreter Lebensgeschichten: Schüller erzählte etwa von einem Sozialprojekt für Jugendliche, das ein österreichischer Installateur in einer rumänischen Roma-Siedlung auf die Beine gestellt hat, oder von den Frauen eines 400-Seelen-Dorfes in Süditalien, die 1.000 gestrandeten Kurden Hilfe und Aufnahme boten. Dank dieser beispielhaften Sozial- und Integrationsleistung prosperiert und floriert der Ort, indem die Kreativität und Potenziale der Flüchtlinge zu Bausteinen unternehmerischen Erfolgs inmitten der ökonomischen Tristesse Kalabriens wurden.
"Mikrophone Gottes in der Welt"
Die Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreichs, Magdalena Holztrattner, illustrierte nicht nur das "role model" des Heiligen Martin als Paradigma eines nachhaltigen, zugleich strukturkritischen und generationenverantwortlichen Lebens auf der Höhe der Jetzt-Zeit. "Der unermüdliche Einsatz für die Armen und Schwachen, das Gehen an die Ränder der Gesellschaft und ein unbeugsames Einstehen für christliche Nächstenliebe bedeutet, Gottes Mikrophone in unsere Welt aufzustellen. Genau dafür stehen Persönlichkeiten wie Franz und Franziska Jägerstätter, die US-Sozialaktivistin, Frauenrechtlerin und Pazifistin Dorothy Day oder der große Kämpfer für Gerechtigkeit in El Salvador, der seliggesprochene Oscar Romero", so Holztrattner.
Heinz Janisch. Der rote Mantel, Die Geschichte vom Heiligen Martin. Illustriert von Birgitta Heiskel. 26 Seiten, € 14,95. ISBN 978-3-7022-3489-8. 2015 Tyrolia. Empfohlenes Alter: ab 4 Jahre
Laternenfest und Martinsgansl – kein anderer Heiliger ist im Jahreslauf ähnlich präsent wie der Heilige Martin. Ein Blick auf das derzeitige Weltgeschehen, auf die zahlreichen Krisenherde und Katastrophengebiete zeigt, wie aktuell auch jene Geste ist, für die er am meisten bekannt ist: Hilfsbereitschaft, Mitgefühl, Empathie – Teilen selbst dann, wenn damit eine eigene Einschränkung verbunden ist.
Heinz Janisch gelingt es mit seiner Erzählung über den Buben Amir, der gemeinsam mit seinem Vater in einer Notsituation Aufnahme in einem Lager findet, diese zentrale Botschaft des Heiligen Martin zu aktualisieren: Amir freut sich über eine rote Decke, die ein Fremder mit ihm teilt. Diese Decke, die wärmt und Geborgenheit vermittelt, wird zum Symbol und zur erzählerischen Verbindung zu jenem roten Mantel des Martin und den wichtigsten Stationen im Leben des späteren Bischofs und Heiligen.
Die Illustrationen von Birgitta Heiskel sind dabei bewusst farbreduziert, fokussieren auf das Wesentliche, spielen gekonnt und gezielt mit der Farbe Rot. Und schlagen dabei eine beeindruckende Brücke zwischen dem heiligen Martin des 4. Jahrhunderts und einer mit Bleistift skizzierten heutigen Situation, in der dessen Botschaft spürbarer nicht sein kann.
Erhältlich im:
St. Martins-Verlag
St. Rochus-Straße 21
7000 Eisenstadt
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