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Bischof Zsifkovics bei Lokalaugenschein sozialer Hotspots auf Kreta: „Die Not schutzsuchender Menschen auf der Flucht muss alle angehen“ – Es brauche eine gemeinsame, solidarische europäische Flüchtlingspolitik, um einerseits Überforderungen, andererseits Anfeindungen gegenüber Flüchtlingen entgegenzuwirken
„Es braucht mehr Solidarität innerhalb der Europäischen Union, eine Rückbesinnung auf den Geist des europäischen Miteinander und mehr Verantwortungsbewusstsein für ein Friedens- und Solidarprojekt, das in der Flüchtlingskrise seinen Lackmustest hat“: Das betonte Europabischof Ägidius J. Zsifkovics, der gemeinsam mit dem griechisch-orthodoxen Metropoliten von Austria, Arsenios Kardamakis, einen Lokalaugenschein zu sozialen und karitativen Einrichtungen auf Kreta und dessen Flüchtlings-Hotspots unternahm. Die Flüchtlingskrise sei eine europäische Herausforderung, die nur durch eine gemeinsame europäische Lösung bewältigt werden könne.
„Europa darf Seele nicht verlieren“
„Die Not schutzsuchender Menschen auf der Flucht vor Krieg, Terror, Verfolgung und Gewalt muss alle in Europa angehen“, so der Europabischof, der ausdrücklich vor einem Abstreifen und Abschieben von Verantwortung mit Blick auf die Flüchtlingsfrage warnte. Solidarität und Hilfsbereitschaft mit Flüchtlingen sei ein unerlässlicher und unhintergehbarer Teil eines sich als Wertegemeinschaft verstehenden Europa. „Wenn wir in dieser Frage scheitern, scheitert der europäische Geist, und Europa verliert seine Seele“, mahnte Bischof Zsifkovics, auf dessen Initiative in der kleinen Diözese Eisenstadt 200 Betreuungsplätze für Flüchtlinge sowie zusätzlich 700 Notquartiere geschaffen wurden.
Ein Frauenkloster zeigt, wie es geht
Die Flüchtlingsfrage als das aktuell wohl dringendste europäische Thema ist in der Diözese Eisenstadt ebenso präsent und brisant wie auf Kreta. Auf der größten griechischen Insel unternahm der Europabischof zudem Lokalaugenscheine zu sozialen und karitativen Hotspots, etwa zum Frauenkloster Kalyviani, das mit ebenso viel Engagement und Professionalität sowohl ein Waisenheim für Mädchen als auch ein Altersheim führt. Hier werde auf großartige Weise gezeigt, „wie es gehen kann, wenn eine aus christlichem Selbst- und Solidarverständnis geleitete Vernunft des Herzens federführend ist“, zeigte sich Bischof Zsifkovics beeindruckt. Das Kloster mache eindrucksvoll deutlich, dass sich Spiritualität und konkretes gesellschaftspolitisches, mitmenschliches Engagement wechselseitig befruchten können: Denn Sonntag für Sonntag kommen weit mehr als 1.000 Menschen, um an der hl. Messe an diesem geistlichen Zentrum teilzunehmen – ein Zentrum, das zugleich 30 hauptamtliche Sozialarbeiter, Psychologen und weitere Fachkräfte für die karitative und Sozialarbeit beschäftigt und die dafür monatlich notwendigen Personalkosten von rund 70.000 Euro aus eigener Kraftanstrengung aufzubringen weiß.
Christliche Grundhaltung statt Klima der Angst
Der Bischof der Diözese Eisenstadt forderte zudem mehr Fairness hinsichtlich der Verteilung von Flüchtlingen und zugleich die Etablierung einheitlicher humaner Asystandards, die der Würde schutzbedürftiger Menschen tatsächlich entsprechen. Die Frage der Aufnahme von Flüchtlingen dürfe weder in den Sog einer wirklichkeitsfremden Emotionalität, die faktische Herausforderungen und Kraftanstrengungen zu übertünchen und schönzufärben geneigt sei, noch in Fahrwässer von inhumaner, einer christlichen Grundhaltung gänzlich entgegengesetzten Anfeindungen und Fremdenfeindlichkeit hineingezogen werden. „Wir dürfen nicht zulassen, dass ein Klima der Angst, das zum Nährboden für Hass und Hetze werden kann, uns die Mitmenschlichkeit nimmt“, stellte Bischof Zsifkovics klar.
Die Chance in der Krise
Der derzeitige Ist-Zustand Europas im Umgang mit der Flüchtlingsfrage bedürfe jedenfalls einer dringlichen Korrektur: „So wie bislang kann es nicht einfach weitergehen. Wir brauchen eine systematische europäische Lösung, die nur dann nachhaltig auf den Weg gebracht werden kann, wenn das Wertefundament Europas ernst genommen und gelebt wird.“ Wenn dies gelinge, könne die Krise selbst zur Chance werden, an einem humanen Europa zu bauen, in dem Solidarität und der urchristliche Dienst am Nächsten nicht zur Worthülse, zur Makulatur einer Marketingblase verkomme, sondern den eigentlichen Kern für die Organisation des europäischen Gemeinwohls bilde.
Egoismen und Schrebergartenenge durchbrechen
Die Forderung nach mehr europäischer Solidarität wurden auch vom Oberhaupt der halb-autonomen orthodoxen Kirche auf Kreta, Erzbischof Irinaios von Heraklion, sowie dem griechisch-orthodoxen Metropoliten von Austria, Arsenios Kardamakis, aufgegriffen: Eogismen, Tendenzen des Trittbrettfahrens und des Einigelns in eine empathielose Schrebergartenenge müsse durch ein Netzwerk der Nächstenliebe durchbrochen werden. „Gerade in Griechenland zeigt sich in der Krise ein starkes soziales Netz, in das sich die Kirche mit all ihren Mitteln und Möglichkeiten für die von der Wirtschaftslage teils arg gebeutelten Menschen einsetzt“, so Metropolit Arsenios.
„Europa muss zusammenrücken“
Eine hartnäckig sich haltende, nichtsdestotrotz falsche Mär sei die Rede vom vermeintlichen „Reichtum“ der orthodoxen Kirche in Griechenland. „In Wahrheit haben die Diözesen vor geraumer Zeit ihren Grundbesitz an den Staat abgegeben, der wiederum die Besoldung der Priester und Diakone übernahm. Unter dem Spardiktat bewilligt die Regierung nur noch einen Neupriester pro Diözese und Jahr, der Bedarf ist jedoch angesichts zahlreicher anstehender Pensionierungen viel größer“ informierte Erzbischof Irinaios, der Metropolit von Heraklion. Gerade einmal 600 Euro betrage das Monatsgehalt eines Neupriesters, der zudem eine Familie mit Frau und Kindern zu erhalten habe. „Ob in der Flüchtlingsfrage oder in anderen sozialen Notsituationen: Europa muss zusammenrücken und sich gemeinsam, mit- und füreinander seiner Probleme stellen“, betonten Metropolit Arsenios und Diözesanbischof Zsifkovics im Einklang.