Bischof Zsifkovics im Kreis der Delegierten mit dem Statut © Diözese Eisenstadt/Gerald Gossmann |
Kreativ und wagemutig soll die Kirche laut Papst Franziskus sein. Eine Aufforderung, die aus der Zuversicht kommt, dass Gott im Leben der Menschen bereits am Werk ist, noch bevor diese sich auf den Weg machen. Mit ihrem nun eingeschlagenen neuen „Pastoralen Weg“ trägt die Diözese Eisenstadt diese Aufbruchsstimmung auf die Ebene seelsorglicher Organisation. Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics hat gemeinsam mit Dechanten und Seelsorgern in den vergangen zwei Jahren nochmals die „Schulbank“ gedrückt und sich auf einen dynamischen Gruppenprozess unter Anleitung eines international anerkannten Experten für kirchliche Change-Prozesse eingelassen. Herausgekommen ist ein Konzept, das unverschnörkelt antworten will auf die Lebenswelten der Menschen im 21. Jahrhundert und das kirchliche Leben im Burgenland nachhaltig verändern wird.
Fulminanter Startschuss auf Diözesantag
In verschiedensten Räten, Klausuren und Studientagen wurde diskutiert und viel voneinander gelernt. Und es kamen neue, verschiedenste Visionen zum Vorschein, die alle eines gemeinsam haben: Das Bild der Kirche der Zukunft präzisiert sich am aussagekräftigsten auf Ebene der Pfarren, bedarf aber auch neuer pastoraler Räume. Nun wurde auf einem Diözesantag, der ganz im Zeichen dieses neuen Weges der Diözese Eisenstadt stand, der offizielle Startschuss für die Neuausrichtung gegeben. Die Delegierten, denen verschiedenste diözesane Gremien wie Bischofsrat, Dechantenkonferenz, Diözesanrat, der aus Laien und Priestern zusammengesetzte Arbeitskreis „Neuer Pastoraler Weg“, sowie Vertreter der Katholischen Aktion, der Katholischen Frauenbewegung, der Katholischen Männerbewegung und der Katholischen Jugend angehörten, sprachen sich einstimmig (bei einer einzigen Enthaltung) für den neuen Weg aus und verabschiedeten nach heißer Diskussion offener Fragen und nach Aufnahme letzter Ergänzungsanträge ein entsprechendes gemeinsames Statut. Dieses arbeitet bewusst nicht mit nivellierenden, Individuelles abschneidenden Rasenmäher-Methoden, will ebenso wenig ein Rasterpapier kategorialer Seelsorge sein, sondern stellt in seiner weiten Konzeption eine Rahmenordnung dar, die individuelle Freiheit und Kreativität ermöglicht, aus denen heraus erst so etwas wie personelle und strukturelle Entwicklung wachsen kann. Vorausgesetzt, man lässt sich auf den Bewusstseinswandel auch ein.
Neue Seelsorgeräume: Nicht „Autobahn“, sondern „Mosaik“
Denn der neue Weg gleiche „weniger einer Autobahn, auf der gedankenlos dahingerast werden kann, sondern eher der bedächtigen Arbeit eines Mosaiklegers, wo es viel Geduld, Beharrlichkeit und Unbeirrbarkeit braucht“, so Josef Frank, Mitglied der engagierten Vorbereitungsgruppe rund um Pastoralamtsleiter Michael Wüger. Dieser fügt hinzu: „Ein reifes Verständnis der Rolle eines jeden Getauften muss auch zu einem neuen Verständnis von Seelsorge und Evangelisierung führen – denn dass alle Getauften Träger von Seelsorge und Verkünder des Evangeliums sind, kann in der Organisation kirchlicher Seelsorge nicht unberücksichtigt bleiben.“ Antwort darauf geben die neuen „Seelsorgeräume“: Als gemeinsame Lebensräume angelegt, sollen sie verbindliche Kooperation sowie aufgaben- und zielorientierte Koordination ermöglichen – im Zentrum eine gemeinsame Gottesdienstordnung, um die herum sich wie konzentrische Kreise die verschiedensten Schichten gemeinschaftlichen Lebens und kirchlichen Feierns legen. In Gemeinschaften von 2 bis zu 5 Pfarren, die in ihrer Eigenständigkeit erhalten bleiben, sollen personelle und zeitliche Ressourcen gebündelt werden. Denn: „Nicht jede Pfarre kann und muss alles machen!“, lautete eine der praktischen Erkenntnisse aus dem diözesanen Denkprozess.
Charismen statt Formalismen
Nicht Uniformierung sondern authentische Spezialisierung, nicht blinde Formalismen, sondern an konkreten Bedürfnissen orientierte Charismen sind also die Benchmarks dieses neuen Zugangs, in dem „Pastoralteams“ aus Haupt- und Ehrenamtlichen, die in verschiedensten Bereichen für Seelsorge, Erfüllung der kirchlichen Grunddienste und Terminkoordination Verantwortung tragen, sowie „Leitungsteams“, bestehend zumeist aus Pfarrern bzw. Pfarrmoderatoren, PfarrassistentInnen und PastoralassistenInnen, eine besondere Rolle zukommt. Deren Beschlüsse sollen in weitest möglichem Konsens gefasst werden und die laufende Umsetzung und bedürfnisbezogene Weiterentwicklung des jeweiligen Pastoralplans im Auge haben.
Von der Kirche der „Gewohnheitstiere“ zur Gemeinschaft engagierter Kreativer
Begonnen worden war der Arbeits- und Umdenkprozess übrigens am Vortag des 50-Jahre-Jubiläums des Zweiten Vatikanischen Konzils – nicht zufällig. Denn die mit der Taufe übertragene Kompetenz aller Gläubigen zur Mitgestaltung kirchlicher Gemeinschaft ist wesentlicher Gedanke des neuen Konzepts, das sich von überholten, personell nicht bespielbaren Strukturen eines alten Gewohnheitschristentums verabschiedet und zu innovativen Ansätzen eines ehrlichen Entscheidungschristentums führen will. Nicht Versorgungs- und Anspruchsdenken sollen demnach der Motor kirchlicher Gemeinschaft sein, sondern die authentische Lust am Gemeinsamen, das sich im kirchlich-sakramentalen Feiern, in der konkreten Sorge füreinander und im guten Umgang miteinander ausdrückt. Freude, innere Beweglichkeit und missionarische Kreativität sind die Parameter, die Papst Franziskus hierfür nennt. „Wer das nicht hat, wird das Evangelium nur schwer zu den Menschen tragen können, egal wie gut unser neues Konzept auch sein mag!“, so Bischof Zsifkovics. „Die pastorale und katechetische Anstrengung der Bewusstseinsveränderung können wir in diesem Prozess niemandem ersparen. Und für manche wird er auch bedeuten müssen, sich aus ihrer Komfortzone herauszubewegen“, so der Bischof.
Flüchtlingskrise als Nagelprobe für neuen Weg
Just die aktuelle Flüchtlingskrise hat gezeigt, wie sehr das herkömmliche Grenzen transzendierende Zusammenwirken unterschiedlichster Fähigkeiten, Möglichkeiten und Begabungen zu Mehrwert für die größere Gemeinschaft führen kann. In diesem Sinne verstehen sich Seelsorgeräume als ein diakonisch geprägtes Netz kleiner bis kleinster Gemeinschaften. Es übernimmt jene Aufgaben, die gemeinsam besser erfüllt werden können, wie etwa die Vorbereitung auf Sakramente – ein Bereich, der „prädestiniert ist für Vernetzung“, wie sich Josef Frank überzeugt zeigt. Internet und moderne Medien als Ergänzung zum herkömmlichen Pfarrblatt seien hier die perfekten Strukturen, um anzudocken.
„Yes, we can!“ – „An der Leitha“: Beispiel eines gelungenen Pilotprojektes
Mit dem neuen Seelsorgeraum „An der Leitha“ kann bereits auf ein erfolgreiches Pilotprojekt im Zeichen des neuen Weges hingewiesen werden. Dechantpfarrer Roman Schwarz, der den neuen Seelsorgeraum leitet, hielt am Diözesantag vor den Delegierten ein beeindruckendes Resümee des neuen Weges, der für ihn mit der ersten Kontaktaufnahme der diözesanen Verantwortlichen im Februar 2014 begonnen hatte. Es folgten intensive Treffen aller PGR-Räte, Aktiven und Interessierten. „Wir empfanden es als große Freiheit, nicht alleine zu sein, sondern gleichgesinnte engagierte Christen zu finden – das war ein schönes Erlebnis!“, schildert Schwarz die auf dem Weg gemachte Erfahrung. Damit bringt er unbewusst die Schlüsselbegriffe des neuen Konzepts auf den Punkt: Freude, Freiheit, Engagement, Gemeinschaft. Der Erfolg gibt ihm und dem neuen pastoralen Weg Recht: Vor einigen Wochen konnte in Nickelsdorf der feierliche Gottesdienst zur offiziellen Erhebung des neuen Seelsorgeraums gefeiert werden.