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Mehr als 13.000 ÖsterreicherInnen unter Opfern in weißrussischem Nazi-Vernichtungslager: Bischöfe als späte Anwälte der Toten

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Eisenstadts Bischof Ägidius Zsifkovics und orthodoxer Metropolit Arsenios Kardamakis begrüßen hochrangige weißrussische Delegation, um Ermordung von mehr als 13.000 ÖsterreicherInnen im Vernichtungslager Maly Trostenez im Zweiten Weltkrieg öffentlich in Erinnerung zu rufen – Errichtung einer Gedenkstätte bei Minsk unter internationaler Beteiligung "notwendiges Zeichen einer fortgeschrittenen europäischen Erinnerungskultur"– Zsifkovics: "Ohne Schließung von historischen Gedächtnislücken keine nachhaltige Konfliktbewältigung in Europa"


(Bildtext: Galina Lewina, stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der belarussischen jüdischen Organisationen und Gemeinden, und Viktor Balakirev, Direktionsvorsitzender der Internationalen Bildungs- und Begegnungsstätte "Johannes Rau" in Minsk (beide links im Bild) stellen die Pläne für die internationale Gedenkstätte vor. V.l.n.r.: Dominik Orieschnig, Metropolit Arsenios Kardamakis, Anna Aksjonowa, wissenschaftliche Leiterin des Projekts, Erzbischof Tadeusch Kondrussewitsch.)

Es handelte sich um eines der schlimmsten Vernichtungslager des Zweiten Weltkrieges: Maly Trostenez befand sich etwa zwölf Kilometer südöstlich von Minsk und unterstand nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1941 der nationalsozialistischen Sicherheitspolizei für Weißrussland. Zwischen 1942 und 1944 wurden dort bis zu 60.000 Menschen ermordet, die meisten von ihnen Juden. Viele der Deportierten wurden im nahegelegenen Wald von Blagovśćina erschossen. Auch mehr als 13.000 ÖsterreicherInnen gehörten zu den Ermordeten.

Eine hochrangige ökumenisch und interreligiös besetzte Delegation unter der Leitung des Metropoliten von Minsk und Mogilow, Erzbischof Tadeusch Kondrussewitsch, Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in Belarus, besucht vom 9. bis zum 12. November 2015 Österreich, um Stellen der Politik und der Öffentlichkeit den bisherigen Stand der Entwicklungen eines geplanten Memorialkomplexes Maly Trostenez darzulegen. Den Auftakt stellte die Begegnung mit Vertretern der katholischen und der orthodoxen Kirche in Österreich dar, bevor es in die Präsidentschaftskanzlei und ins Bundeskanzleramt ging, um dort für finanzielle Unterstützung des Projektes zu werben. Organisator der Begegnungen war der Leiter der Außenstelle des österreichischen Außenministeriums in Minsk, Dr. Alexander Bayerl.

Metropolit Arsenios: "Alles tun, damit ihr Tod nicht umsonst gewesen ist!"
Die Begegnung fand in den Räumlichkeiten der Metropolis von Austria statt, wo Hausherr Erzbischof Kardamakis die siebenköpfige Delegation mit Vertretern aus Religion und Wissenschaft empfing. Bischof Zsifkovics übermittelte seine Grußbotschaft aus der zeitgleich tagenden Vollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz durch den Bischöflichen Sekretär und Pressesprecher der Diözese Eisenstadt, Dominik Orieschnig. Namens aller Delegationsmitglieder, darunter die stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der belarussischen jüdischen Organisationen und Gemeinden, Galina Lewina, dankte Erzbischof Kondrussewitsch Bischof Zsifkovics und Metropolit Arsenios für ihre Aufgeschlossenheit und für die geistliche Plattform, die beide Bischöfe dem Anliegen zu geben bereit seien. Metropolit Arsenios betonte in seiner Ansprache, dass jede Form von Fanatismus und Nationalismus zu verurteilen sei und sich Ereignisse wie jene von Maly Trostenez nie wieder wiederholen dürfen. Es gelte besonders aus christlicher Sicht, auf das Gedenkstätten-Projekt und damit auf das ungehörte Leid so vieler Menschen aufmerksam zu machen.

Metropolit von Minsk lobt Ökumene in Österreich
"Ich kenne alle österreichischen Bischöfe und weiß, welchen Wert sie der Ökumene und dem Dialog der Konfessionen und Religionen beimessen", so Kondrussewitsch. Der Vorsitzende der weißrussischen Bischofskonferenz erinnerte an das Wort von Johannes Paul II., dass die Kirche "mit zwei Lungenflügeln", nämlich aus ihrer westlichen und ihrer östlichen christlichen Tradition atmen müsse, ein Wort, dass er in der Stiftung des Grundes für ein Orthodoxes Kloster in der römisch-katholischen Diözese Eisenstadt erfüllt sehe. "Es erinnert mich an den exzellenten Dialog der Konfessionen und Religionen in Belarus, wo in völliger Harmonie auf einer Straßenseite die katholische und auf der andern die orthodoxe Kirche steht", so der Metropolit von Minsk. Die geplante Gedenkstätte "an einem Ort, wo Angehörige verschiedenster Glaubensrichtungen zu Tode gekommen sind", werde dieses gemeinsame Atmen ebenso widerspiegeln. Tatsächlich sehen die Pläne für die Gedenkstätte Kultusbauten auf dem Areal vor, die als Brücken der Versöhnung dienen sollen. Ziel sei es nun, so Kondrussewitsch, eine Realisierung des Projektes auf internationaler Basis zu bewerkstelligen: "Es geht um einen Dialog zwischen den Opfern und der Welt, der in die Zukunft weist und bewirkt, dass sich Vergangenes nicht wiederholt. Das geht uns alle an!"

Zsifkovics: "Psychoanalyse Europas muss sich dunklen Flecken stellen"
Es habe, so Eisenstadts Bischof Ägidius Zsifkovics in seiner Grußbotschaft, "gerade in Österreich und in Wien, der Stadt Sigmund Freuds, eine Bedeutung, sich zu erinnern." Was Zeichen des reifen Individuums, aber auch einer reifen Gesellschaft sei, nämlich die Aufarbeitung von unbewältigtem Vergangenem, das gelte in besonderem Maße auch für Europa als Wertegemeinschaft. Zsifkovics: "Die humanen Herausforderungen der Gegenwart, wie etwa die aktuelle Flüchtlingskrise, werden wir nicht nachhaltig lösen können ohne die europäischen Erinnerungslücken, die es immer noch gibt, zu schließen – denn zwischen den Ereignissen von damals und heutigem menschlichen Versagen, das zu den Katastrophen von morgen führt, spannt sich ein roter Faden." Eine Gedenkstätte wie Maly Trostenez sei daher "kein Vergangenheits-, sondern ein Zukunftsprojekt", es sei "im Letzten überhaupt kein Bauprojekt, sondern Katalyator eines Bewusstseins- und Verständigungsprozesses und somit essentieller Bestandteil einer unverzichtbaren europäischen Erinnerungskultur", so der österreichische "Europabischof" und Flüchtlingskoordinator der EU-Bischöfe innerhalb der ComECE.

Memorialkomplex Maly Trostenez: Im Sommer 2015 wurden bereits die beiden „Pforten der Erinnerung“, 12 Meter hohe Bronzestelen, gemeinsam mit einem neu angelegten mehrere Hektar großen Gedenkpark als erste Etappe der geplanten Gedenkstätte eröffnet. Das von Staatschef Lukashenko begrüßte Projekt wurde sehr rasch angegangen und laut Information des österreichischen Außenministeriums auf beeindruckende Weise ausgeführt. Das nun in Österreich vorgestellte Projekt soll einen weiteren Teil des durch Dekret geschützten riesigen Areales erschließen und einer internationalen Erinnerungskultur zugänglich machen: den der Blagovśćina, der eigentlichen Exekutionsstätte zehntausender Menschen.

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