Sonntag, 15. September 2013, 09.30 Uhr, Eisenstadt, St. Martinsdom
Im Rahmen der Haydn Festspiele gibt es neben vielfältigen konzertanten Musikerlebnissen auch zwei Festgottesdienste, die mit besonders ausgewählter Kirchenmusik gestaltet werden; die Kooperation mit der Intendanz der Festspiele ist den Kirchen dabei sehr hilfreich.
Als Gottesdienstorte stehen jene beiden Kirchen zur Verfügung, die mit der Kirchenmusik am Hof der Esterházy historisch verbunden sind, die Pfarrkirche Oberberg und die nunmehrige Domkirche St. Martin. Die beiden Gottesdienste werden von zahlreichen Gästen aus dem In- und Ausland besucht, die anlässlich der Haydn Festspiele in diesen Tagen in Eisenstadt zu Gast sind.
Im St. Martinsdom steht am kommenden Sonntag, dem 15. September 2013, um 09.30 Uhr, Joseph Haydn’s Große Orgelsolo-Messe auf dem Programm, die erste der drei Messen, die Haydn der Gottesmutter dediziert hat.
Anders als bei den meisten anderen Haydn-Messen liegen zu dem Werk wenig verlässliche Informationen zur Entstehung vor, nicht einmal die Daten der Fertigstellung und der Uraufführung sind nicht bekannt. Im Autograph (dem Notenpapier nach vermutlich aus den Jahren 1768-70) sind überdies nur Sanctus, Benedictus und Agnus Dei überliefert. Die Kenntnis der anderen Sätze beruht auf Abschriften, die in unterschiedlichen Orchesterbesetzungen und Namensgebungen (Josephs-Messe, Missa solemnis, Cäcilienmesse etc.) in Stifts- und Pfarrkirchen des heute österreichischen, böhmisch-mährischen und süddeutschen Raums verbreitet waren.
Trotz der offensichtlichen Beliebtheit der Messe wurde das Werk erst 1951 in der Neuen Haydn-Gesamtausgabe veröffentlicht, die Erstherausgabe des Aufführungsmaterials besorgte der renommierte Wiener Musikverlag Doblinger; mittlerweile gibt es auch andere Editionen. Die Orchesterbesetzung der Messe ist originell und selten, der Bläserklang der Hörner und Englischhörner (statt der sonst üblichen Oboen) verleiht dem Werk einen unverwechselbaren Charakter.
Eine weitere Besonderheit ist die konzertierende Orgel, die über die übliche Stütz-Funktion hinaus die Komposition mit zum Teil virtuosen Einwürfen bereichert. Anders als sonst in der Wiener Klassik geschieht das in dieser Messe nicht nur im Benedictus, sondern in allen Sätzen mit Ausnahme des Sanctus; die Messe wird sogar mit einem streicherbegleiteten Orgelsolo eröffnet (Kyrie).
Der 15. September ist liturgisch dem Gedächtnis der sieben Schmerzen Marias gewidmet, auch aus diesem Grund wird der Gottesdienst mit einem Gruß an die Gottesmutter, einem Salve Regina, beschlossen werden.
Franz Schubert hat die Marien-Antiphon Salve Regina den Anforderungen seiner Zeit entsprechend mehrmals und für verschiedene Besetzungen vertont, die am 15. September gespielte ist allerdings die einzige Fassung für Tenorsolo. Sie entstand zusammen mit seiner ersten Messe (F-Dur), die der erst 17-jährige anlässlich der 100 Jahr-Feier seiner Heimatpfarre Lichtental komponiert hatte. Das Autograph des Salve Regina war nach Schubert’s Tod zunächst im Besitz von Anton Diabelli, der es, zusammen mit anderen Handschriften, von Franz’ Bruder Ferdinand erworben hatte. 1888 erschien das Stück erstmals in Druck.
Ludwig van Beethoven, Titelpersönlichkeit der Haydn Festspiele im diesjährigen Jubiläumsjahr, komponierte 1799 fünf Stücke für eine Flötenuhr. Lange Zeit hindurch führten die Miniaturen in verstreuten Papieren ein Schattendasein, bis sie 1902 zum ersten Mal gesammelt ediert wurden.
Das Instrument, für das Beethoven diese Musik ursprünglich komponierte, ist zutreffend als „Orgelwerk in einer Uhr“ zu bezeichnen: Mithilfe einer Stiftwalze, auf die das Musikstück aufgeschlagen bzw. aufgepresst wurde, wurde ein Automatismus in Gang gesetzt, der ohne Zutun eines Musikers ein Orgelstück erklingen ließ. Eine Uhr regelte die Intervalle des Abspielens.
Die Flötenuhr, für die Beethoven schrieb, befand sich im Wachsfigurenkabinett des Grafen Deym in der Wiener Himmelpfortgasse nahe dem Stephansdom, in dem auch Flötenuhrmusik von Haydn und Mozart gespielt wurden. (Haydn’s Flötenuhrstücke sind in Zusammenarbeit mit einem seiner Schüler, dem Esterházy’schen Hofkaplan und Bibliothekar P. Primitivus Niemecz, entstanden, der sich als Erbauer von Orgel-Automaten einen Namen gemacht hatte).
Im Kuriositäten-Kabinett des Grafen Deym waren lebensgroße Wachsfiguren zu sehen, darunter die Nachbildung des österreichischen Feldmarschalls Gideon Ernst Freiherr von Laudon, woraus sich die saloppe Bezeichnung „Laudon-Mausoleum“ ergab.
Aus dem ursprünglichen Automaten-Notentext der Flötenuhrmusik entstanden später Übertragungen für die Ausführung durch einen „lebenden“ Spieler. Aus dieser Transkription ergeben sich mitunter nicht geringe Anforderungen an die Interpreten.
Der Orgel kommt im Hochamt am 15. September besondere Aufmerksamkeit zu. Eisenstadt verfügt heute noch - anders als etwa bei Salzburg und Mozart - über mehrere Orgeln, die in einem direkten Bezug zu Joseph Haydn stehen: im Martinsdom, am Oberberg (Propsteikirche und Kalvarienbergkapelle), in der Spitalskirche der Barmherzigen Brüder, in der Esterházy’schen Schlosskapelle und bei den Franziskanern.
Die erste Orgel in der nunmehrigen Bischofskirche zu St. Martin bestand sicher schon zu Beginn des 17. Jhdts., aus jener Zeit stammen die ersten namentlichen Nennungen von Organisten.
Die jetzige Orgel, eine Stiftung der Frau Theresia Feigl, wurde 1778 vom Wiener Orgelbauer Leopold Mallek errichtet. Knapp zwanzig Jahre später baute Mallek eine gleich große Orgel in der Kirche am Oberberg, die allerdings in den Jahren 1950/51 erheblich erweitert und verändert wurde.
Das mobile Orgelpositiv ist ein Werk des Berliner Orgelbauers Karl Schuke.
Mit Domorganist Mag. Robert Kovacs verfügt die Eisenstädter Kathedrale über einen hervorragenden Organisten, dessen künstlerische Qualitäten weit über die Diözese hinaus bekannt und geschätzt sind.