Bischof Zsifkovics predigt vor seinen Landsleuten im Priesterseminar in Zagreb © Dominik Orieschnig |
Zagreb – Bereits der zweite Tag der Zagreb-Reise von Bischof Zsifkovics machte die historische Dimension der von ihm geleiteten Wallfahrt der Burgenlandkroaten deutlich. Als lebender Knotenpunkt in einem weitverzweigten Netz kultureller, sprachlicher und weltanschaulicher Bezüge vereint der burgenlandkroatische Bischof aus Österreich die fünfhundert Jahre alte Genetik eines vertriebenen Volkes in der Diaspora mit dem in kirchlichen Eliteschmieden kultivierten Verständnis des Christentums als Kraft, die die Grenzen von Nation, Rasse, Ideologie und Sprache überschreitet.
Modell des freien, in Sprache, Glauben und Identität verankerten Menschen
Damit repräsentiert Zsifkovics in seiner eigenen Person und Generationengeschichte das Modell einer europäischen Zukunft abseits gesellschaftlicher Uniformierung, in der Kirche und Glaube Garant für die Freiheit des Menschen bleiben. "Die Vision von den ‚Vereinigten Staaten von Europa’, mit denen man sich etwa jetzt wieder im österreichischen Wahlkampf zu positionieren versucht, ist eine Totgeburt, wenn diese Vision nicht auf einem humanistischem Menschenbild und intakten Werten von Familie, Gemeinschaft, Identität beruht. Dass ein ‚Mega-Supermarkt EU’ nicht ausreicht, um den drängenden Problemen unserer Zeit Herr zu werden, dürften mittlerweile wohl alle kapiert haben!", so Zsifkovics, der Europabischof der Österreichischen Bischofskonferenz, im Gespräch mit dem Medienbüro der Diözese Eisenstadt. Umso mehr sei "die grenzüberschreitende Wallfahrt der vor 500 Jahren selbst vertriebenen Burgenlandkroaten ans Grab eines von einer menschenverachtenden Ideologie unterdrückten und langsam zu Tode gebrachten Zeugen des Evangeliums ein bewusstes Zeichen unserer christlichen Gemeinschaft", so Zsifkovics weiter. "Wir zeigen damit, dass die Botschaft des Evangeliums lebt, wenn alle Ideologien längst tot und am Friedhof der Geschichte gelandet sind!"– eine Haltung, die sich in den kommenden Tagen wie ein roter Faden durch alle Predigten und Ansprachen des Bischofs zog.
Einzug der Priesterschaft in der Seminarkapelle © Dominik Orieschnig |
Bischof Zsifkovics mit Dechant Željko Odobašić, der die Pilger aus dem Burgenland anführte, und dem Regens des Priesterseminars © Dominik Orieschnig |
Bewegende Momente an Orten geistlicher Prägung
Es war bewegend für die burgenlandkroatischen Pilger zu erleben, wie Bischof Zsifkovics in der randvollen Kapelle des Zagreber Priesterseminars, in der er selbst in den Jahren 1983 und 1984 als junger Geistlicher ausgebildet worden war, mit ihnen Eucharistie feierte und sein Predigtwort eigens an sie richtete. Die Kapelle des Priesterseminars ist übrigens jener Ort, in dem der junge Ägidius Zsifkovics sich selbst und Gott die endgültige innere Zusage gegeben hatte, Priester zu werden. Der große Kreis, der sich damit in den Stunden und Tagen der Wallfahrt für Bischof Zsifkovics in Gegenwart seiner Landsleute schloss, muss starke innere Bewegungen beim Bischof hervorgerufen haben – Bewegungen, die nach außen nicht hörbar, aber für manch aufmerksamen Beobachter doch spürbar waren. Sie fanden Ausdruck in der Übergabe eines Kelches und liturgischer Bücher in burgenlandkroatischer Sprache an den Regens des Seminars. Geschenke des Bischofs, die sagen: "Ihr seid ein bleibender Teil von mir – ich bin ein bleibender Teil von euch!" Mit dem feierlich gesungenen "Zdrava Diva", einem der bekanntesten burgenlandkroatischen Kirchenlieder, ging der Gottesdienst zu Ende.
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Ein Kelch als Gastgeschenk für das Priesterseminar © Dominik Orieschnig |
Auch die liturgischen Bücher in burgenlandkroatischer Sprache dürfen nicht fehlen © Dominik Orieschnig |
Der Chor des Priesterseminars macht Tischmusik für dessen einstigen Zögling © Dominik Orieschnig |
Großer Tag des Visionärs Stefan László
Doch noch jemand anderer hatte Teil an dem großen Zirkelschluss dieses Tages und Bischof Zsifkovics gedachte seiner beim Gottesdienst im Priesterseminar auf würdige Art und Weise: Es war der erste Bischof der Diözese Eisenstadt, Stefan László, der Zsifkovics 1983 zum Studium nach Zagreb geschickt hatte. Lapidar meinte er damals, es wäre "von Bedeutung". Ausdrücklich hatte László beim damaligen Zagreber Erzbischof keine Sonderbehandlung des jungen Klerikers aus der Diözese Eisenstadt gewünscht, er sollte vielmehr in allem den Zagreber Priesterstudenten gleichgestellt sein. Und so geschah es, dass Ägidius Zsifkovics neben seinen theologischen Studien auch lernte, in einem zum Seminar gehörenden kleinen landwirtschaftlichen Betrieb Schweine zu schlachten und am nahen Zagreber Markt Kartoffeln zu verkaufen. Allesamt Aufgaben, die Zsifkovics, der auch Traktoren lenken kann und das Imkerhandwerk erlernt hat, gut zu meistern wusste. Mit dieser frühen Entsendung eines jungen burgenlandkroatischen Seminaristen in die alte Heimat hat Bischof Stefan László jene langen, aber lose hängenden Fäden der Geschichte fest verknüpft, die heute zur stabilen Brücke verwachsen sind, auf der der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics alte Grenzen überschreiten und neue Horizonte ins Auge nehmen kann. Zu verdanken ist dies auch der weisen Voraussicht Stefan Lászlós, dessen langer Arm und freudiger Gruß aus der Ewigkeit in diesen Tagen wahrnehmbar waren.
Man mag es eben - auch in Zagreb © Dominik Orieschnig |
Die Seminaristen lauschen begeistert den Erinnerungen von Bischof Zsifkovics an seine eigene Seminarszeit © Dominik Orieschnig |
Im Kino mit dem Seligen Alojzije Stepinac
Bereits am Vorabend (19.05.) hatte Bischof Zsifkovics die in Zagreb eintreffende Pilgerschar von mehreren hundert Personen unter dem Trausdorfer Dechant und Pfarrer Željko Odobašić persönlich empfangen und mit seinen Landsleuten im Priesterseminar ein gemeinsames Gebet gesprochen. Im Festsaal des Seminars, der auch von der Öffentlichkeit als Kinosaal für Filmvorführungen mit sozialethischen und religiösen Themen genutzt werden darf, wurden die Pilger von der Leitung des Priesterseminars willkommen geheißen und vom Chor des Seminars musikalisch auf die vor ihnen liegenden Tage eingestimmt. Anschließend hatten die Pilger Gelegenheit, eine Präsentation des Lebens und Sterbens des seligen Kardinals Alojzije Stepinac quasi "aus erster Hand" mitzuerleben: Der sogenannte Postulator, gewissermaßen der amtliche Fürsprecher des derzeit laufenden kirchlichen Heiligsprechungsverfahrens für Stepinac, Dr. Juraj Batelja, gab den Burgenlandkroaten interessante Einblicke in die Person des Seligen. Besonders betroffen machte die Schilderung des Postulators, dass das kommunistische Regime sogar nach dem Tode des Kardinals nicht aufgehört hatte, dessen Person und Andenken im wahrsten Sinne des Wortes zu schädigen und zu zerstören: Ein auf dem Sarg mit dem Leichnam abgelegter Kranz sollte – mit einer aggressiven chemischen Substanz versehen – dafür sorgen, dass die sterblichen Überreste gänzlich devastiert werden, was zum Teil auch gelang.
Bischof Zsifkovics dankte Batelja für seine Bemühungen um eine baldige Heiligsprechung des Märtyrerkardinals und sicherte ihm die Unterstützung und das Gebet der Burgenlandkroaten zu.
Bischof Zsifkovics mit Postulator Dr. Juraj Batelja, einem exzellenten Stepinac-Kenner © Dominik Orieschnig |
Kardinal Stepinac wurde am 8. Mai 1898 im damals zu Österreich-Ungarn gehörenden und heutigen Brezarić geboren und starb ebendort am 10. Februar 1960. Er war von 1937 bis 1960 Erzbischof von Zagreb und wurde 1998 vom hl. Papst Johannes Paul II. als Märtyrer seliggesprochen. Im Laufe des Zweiten Weltkriegs nahm Kardinal Stepinac eine zunehmend kritischere Haltung gegenüber dem faschistischen Ustascha-Regime ein, protestierte gegen antisemitische und antiserbische Gesetze und politische Maßnahmen, prangerte die Verbrechen des Regimes an und rettete mehrere tausend Menschen vor dem Faschismus. Unter dem jugoslawischen Tito-Regime wurde ihm 1946 auf der Grundlage einer inszenierten Anklage wegen vermeintlicher Zusammenarbeit mit dem Ustascha-Regime ein Schauprozess gemacht. Der Kardinal wurde zu Gefängnis und Zwangsarbeit verurteilt und verstarb schließlich im Arrest. Neuere Erkenntnisse legen den Verdacht einer bewusst vorgenommenen schleichenden Vergiftung Stepinac’ nahe. Ein kirchliches Heiligsprechungsverfahren läuft derzeit.