Liebe Brüder und Schwestern,
ein großes Ereignis hat die Kirche in Österreich gleich zu Beginn dieses Jahres erlebt: den Besuch der österreichischen Bischöfe bei Papst Franziskus. Berührt und gestärkt von der persönlichen Begegnung mit dem Hl. Vater möchte ich am Beginn der Fastenzeit Euch allen etwas von der Dynamik und der Botschaft unseres Papstes vermitteln. Ihr fragt Euch sicher: Wie ist er eigentlich, unser neuer Papst? Die vielen berührenden Worte und liebevollen Gesten, die von Papst Franziskus schon bisher in der Öffentlichkeit bekannt waren, sie wurden in der persönlichen Begegnung mit ihm noch übertroffen. Sie lassen sich in folgender Botschaft zusammenfassen: Kirche sein heißt nicht verwalten, sondern gestalten. Es heißt missionarisch sein und hinausgehen zu den Menschen, um ihnen mit Liebe und Verständnis das Licht des Glaubens und die Freude des Evangeliums zu bringen. Dies alles muss in der tiefen Freundschaft mit Jesus Christus wurzeln – eine Freundschaft, die Papst Franziskus zutiefst ausstrahlt und die wir alle brauchen, um frohe und glaubwürdige Zeugen Christi für andere zu sein.
Wer hinausgeht in die Welt, braucht selbst ein stabiles Fundament, ein sicheres Zuhause der Seele und des Geistes, aus dem er schöpft. Drei Räume sind es, die wir alle als unser sicheres Zuhause betrachten dürfen:
Der erste Raum ist die Familie. Sie ist der Ort, in dem jeder von uns und seine Wahrheit als Mensch tief verwurzelt sind. Die Familie ist die grundlegende Zelle der Gesellschaft und der Ort, wo man lernt, in Verschiedenheit zusammenzuleben. Somit ist sie als Hauskirche der vorrangige Ort der lebendigen Weitergabe des Glaubens. Tun wir alles, damit in unseren Familien wieder mehr über den Glauben gesprochen wird, damit gemeinsam gebetet und der Sonntag würdig gefeiert wird! Der beste Religionsunterricht kann das lebendige Beispiel, das betende Eltern ihren Kindern geben, nicht ersetzen. Ehe und Familie sind ein hohes, ein sehr schönes Ideal, sie sind kein Auslaufmodell! In Zeiten eines neuzeitlichen Individualismus und familienfeindlicher Ideologien gelingt es vielen nicht, diesem Ideal zu entsprechen. Wenn der sehnliche Wunsch nach dauerhafter Liebe und Treue nicht in Erfüllung geht, sind der Schmerz und die Enttäuschung darüber bei den Betroffenen selbst wohl am allergrößten. Wir als Kirche müssen ihnen in besonders liebevoller Weise beistehen und dürfen sie nicht verurteilen. Wir müssen Sorge tragen, dass vom Ehepartner geschiedene Menschen nicht auch noch das Gefühl haben, von der Liebe ihrer Mitmenschen, ihrer Kirche, ihrer Pfarrgemeinde ausgeschlossen zu sein. Denn, so Papst Franziskus: Die Barmherzigkeit Gottes schließt niemanden aus.
Der zweite Raum unseres Zuhauses ist die Pfarre. Sie ist der Raum, den Gott der Kirche anvertraut hat, um ihn zu einem fruchtbaren Feld und zu einem blühenden Garten zu machen. Doch dieser Garten ist nicht eine durchgestylte barocke Anlage. In diesem bunten Garten wächst alles. Hier gibt es starke Bäume und zarte Pflanzen; hier gibt es aktive Elemente, aber auch schläfrige; solche, die Wohlgeruch verbreiten, und solche, die dies nicht tun. Sie alle aber haben ihren Platz und können auf die eine oder andere Weise zum Zusammenleben beitragen. Die Pfarrer in ihrem Leitungsamt haben die schwierige Aufgabe, in ihrer seelsorglichen Arbeit alle noch so unterschiedlichen Mitglieder ihrer Gemeinde zu sehen und auf deren Heil bedacht zu sein. Dabei darf der Priester, ohne dass sein sakramentaler Dienst verdunkelt wird, glücklicherweise auf die wertvolle und unverzichtbare Unterstützung und den Beitrag verschiedener Mitarbeiter und aller Gläubigen zählen. Vergesst bitte nie: Jeder von Euch im bunten Garten Gottes ist gerufen, jeder von Euch ist gesandt! Seid engagierte und verlässliche Pfarrmitglieder!
Der dritte Raum unseres Zuhauses ist die Beichte. Sie ist der Ort, wo wir Gottes barmherzige Liebe erfahren. Hier begegnen wir Christus, der uns die Kraft zur Umkehr und zum neuen Leben gibt. Da der Mensch eine Seele und ein Gewissen hat, wird die Beichte ebenso wenig ihre Bedeutung verlieren wie die Familie. Was immer uns belastet, wofür immer wir uns schuldig fühlen: Gott vergibt, wenn wir selbst es zulassen und bereit zur Umkehr sind. Der Beichtstuhl ist eine „Duschkabine“ für die Seele. Viel zu oft steht diese Duschkabine leer. Als Hirte möchte ich alles tun, um Euch beim Wiederentdecken dieses vergessenen Sakraments mit Feingefühl und Verständnis zur Seite zu stehen. Ich weiß es aus eigener Erfahrung: der Schritt in den Beichtstuhl kann schwer sein. Er fällt manchen Menschen schwerer als eine Schönheitsoperation, bei der oft enorme Schmerzen und Kosten in Kauf genommen werden um der äußeren Schönheit willen. Als Hirte ist mir Eure innere Schönheit wichtig. Ich lade Euch daher ein: Öffnet in dieser Fastenzeit die Tür Eures Gewissens, überwindet die Schwellenangst und geht zur Beichte! Gönnt Euch selbst dieses wunderbare Sakrament und die reinigende Erfahrung der Vergebung!
Im heutigen Evangelium hörten wir von den drei Versuchungen Jesu in der Wüste. Die Versuchung, sich selbst zum Maß aller Dinge zu machen, richtet sich oft auch gegen die Familie. Wie oft leiden und zerbrechen Ehe und Familie am Wunsch des Menschen, frei und unabhängig leben zu können, ohne Rücksicht auf Verluste! Wie oft läuft aber auch das Leben in unseren Pfarren Gefahr, zur Spielwiese für die Interessen und die Selbstdarstellung Einzelner oder kleiner Gruppen zu werden, an denen die ganze Gemeinschaft zu leiden hat! Auf dem „neuen pastoralen Weg“ unserer Diözese wird Seelsorge auch pfarrübergreifend stattfinden. Das braucht neue Formen der Zusammenarbeit und die Absage an altes Besitz- und Machtdenken. Halten wir uns nicht krampfhaft fest an gewohnten Strukturen, sondern bleiben wir offen für den Geist Gottes! Nur so können wir ständig Neues hervorbringen. Es steht nirgendwo geschrieben, dass der Ort dieses Anrufes von Gott nur das Pfarrzentrum oder die gemütliche Pfarrveranstaltung sein kann. Gott erreicht den Menschen an jedem Ort, selbst dort, wo es keinen Handyempfang gibt. Und wie oft schließlich führt uns die Versuchung der Selbstgerechtigkeit und der Überheblichkeit dazu, zu meinen, keine Sünden zu haben oder uns selbst von unseren Fehlern und Sünden lossprechen zu können! Im Blick auf Jesus können wir diesen Versuchungen widerstehen.
Abschließend dürfen wir Gott dankbar sein für das, was die Kirche in Österreich zum Heil der Gläubigen und zum Wohl vieler Menschen und der ganzen Gesellschaft wirkt. Papst Franziskus hat die Bischöfe beim Ad-limina-Besuch gebeten, allen, die sich dafür einsetzen, seinen Dank und seinen Segen zu übermitteln. Ich tue dies hiermit und danke als Bischof den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und allen engagierten Laien unserer Diözese, die bereitwillig und großherzig im Weinberg des Herrn arbeiten. Papst Franziskus erinnert uns aber auch immer wieder daran, die Armen nicht zu vergessen. So bitte ich Euch auch in diesem Jahr, die Fastenaktion unserer Diözese, die den Ärmsten der Armen zugute kommt, großherzig zu unterstützen!
Eine gesegnete Fastenzeit und ein frohes Osterfest wünscht von Herzen
+Ägidius J. Zsifkovics
Bischof von Eisenstadt